Ein anschauliches Beispiel
Fangen wir wieder mit einem typischen Beispiel aus unserem Alltag an. Du hast tierische Kopfschmerzen und dein Partner hat nichts besseres zu tun, als die Musik brüllend laut zu machen?
Wie reagierst Du? Richtig, du faltest ihn einmal zusammen. Im Nachhinein betrachtet, ist diese Reaktion sicherlich der Situation nicht angemessen, aber in dem Moment warst du einfach sauer und impulsiv.
Genauso geht es unseren Hunden. Nehmen wir auch hier ein Beispiel. Der Rüde Willi geht mit seinem Kumpel Gustav und den jeweiligen Hundemuttis regelmäßig zusammen Gassi. Der Rüde Willi ist mittlerweile in die Jahre gekommen und es zwickt immer mal im Bewegungsapparat. Mal autscht die Hüfte, mal hat er Schmerzen in der Wirbelsäule. Und dann kommt der Kumpel Gustav ihm einmal blöd von der Seite und rempelt ihn an. Wie reagiert wohl Willi? Richtig: er reagiert mit Aggressionsverhalten. Die Aufregung der Muttis ist groß. Aber eigentlich ist das Ganze doch so verständlich!
20-30 % der verhaltensauffälligen Hunde, die in der Praxis vorgestellt werden, haben parallel eine klinische Erkrankung. Von diesen wiederum haben fast 40 % eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates. Und ich würde behaupten, die Dunkelziffer liegt weit höher!
Was ist Schmerz überhaupt?
Wenn wir von Schmerzen reden, bzw. den Verdacht haben, dass unser Hund Schmerzen haben könnte, müssen wir diesen Begriff erst einmal definieren.
Schmerz ist nämlich eine subjektive Empfindung, jeder empfindet Schmerz anders. Auch die Bewertung oder die Aufmerksamkeit, die wir dem Schmerz geben, kann unterschiedlich sein:
wenn das Reh wegrennt, vergisst der ein oder andere Vierbeiner sicherlich mal seine HD oder seine Rückenschmerzen. Ist der Hund dagegen sowieso schon gestresst, tritt der Schmerz mehr in den Vordergrund, vielleicht auch einfach nur die Erwartung, dass die Situation gleich schmerzhaft ist. Kurz gesagt: Dauerstress lässt Schmerz mehr in den Vordergrund treten.
10 Punkte, an denen du merken kannst, dass dein Hund Schmerzen hat:
- hat sich die Aktivität deines Hundes verändert: ist er momentan eher träger oder vielleicht sogar das Gegenteil? Kommt er nicht zur Ruhe und legt sich ständig von einem Platz auf den anderen oder wandert umher?
- zeigt er häufiger Aggressionsverhalten in Situationen, die er bislang gut bewältigen konnte?
- tritt das Aggressionsverhalten plötzlich ohne große Vorwarnung auf?
- Ist dein Hund schreckhafter geworden?
- Kann er auf einmal nicht mehr alleine bleiben? Trennungsstresssymptome treten im Zusammenhang mit Schmerzen deutlicher auf
- Zieht sich dein Hund immer häufiger zurück?
- Setzt oder legt er sich vermehrt auf eine Pobacke? Meist belasten Hunde die Körperregion mehr, die schmerzhaft ist. Sie versuchen Druck auf diesen Bereich zu geben.
- Hat sich generell die Liegeposition verändert? Liegt er z.B. weniger ausgestreckt oder auf dem Rücken?
- Schnüffelt er auf dem Gassi an jeder Markierstelle und trödelt vor sich hin?
- Hechelt er häufiger, obwohl es gar nicht warm ist? Wie sieht die Zunge dabei aus? Ist sie angespannt, reicht nicht weit aus dem Fang oder ist an den Seiten aufgewölbt? Das ist ein typisches Stresshecheln und kann auch bei Schmerzen beobachtet werden.
Was nun?
Sobald der Verdacht im Raum steht, dass das Tier Schmerzen hat, gehören diese abgeklärt. Dazu gehört eine Allgemeinuntersuchung, genauso wie ein Blutbild mit allen Organwerten inkl. der Schilddrüse.
In Sachen Schmerzen im Bewegungsapparat ist es dann aber nicht mehr so einfach. Nicht jeder Haustierarzt ist gut darin geschult, Schmerzen im Bewegungsapparat zu erkennen.
Wie geht es nun weiter?
Eine gut ausgewählte Schmerzmedikation zusammen mit einer Physio- und Bewegungstherapie helfen dem Hund, Verspannungen zu lösen und Fehlbelastungen zu mindern. Das ist Voraussetzung um eine nachhaltige Verbesserung der Verhaltensprobleme zu erreichen!
Bearbeitung von Problemverhalten – es ist komplex
Wie so häufig macht es wenig Sinn, das Problemverhalten separat zu betrachten. Alle möglichen Ursachen und Zusammenhänge müssen mit berücksichtigt und bearbeitet werden. Nur dann kann sich das Wohlbefinden und damit das Verhalten des Hundes nachhaltig verändern.
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